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Der Direktzugang - Warum er für Patienten und Therapeuten so wichtig ist

Viele Menschen kennen das: Rückenschmerzen, eine verspannte Schulter oder Knieprobleme, und bevor man endlich in die Physiotherapie kommt, muss man erst einen Arzttermin bekommen, ein Rezept holen und dann noch auf den nächsten freien Platz warten. Doch das könnte sich bald ändern.

In Deutschland wird derzeit intensiv darüber diskutiert, ob Patientinnen und Patienten künftig direkt zur Physiotherapie gehen können, ohne vorher zum Arzt gehen zu müssen. Dieses Prinzip nennt sich Direktzugang. In anderen Ländern wie den Niederlanden oder Belgien ist das schon Realität, mit positiven Erfahrungen für alle Beteiligten.


Bei einem Direktzugang darf man als Patient selbst entscheiden, ob man eine Physiotherapeutin oder einen Physiotherapeuten aufsuchen möchte, ohne vorher zum Arzt gehen zu müssen. In Deutschland ist dies Momentan nur möglich, wenn man die Behandlung privat bezahlt. Gesetzlich Versicherte brauchen bislang weiterhin ein Rezept von ihrer Ärztin oder ihrem Arzt, damit die Krankenkasse die Kosten übernimmt.


Allerdings bewegt sich etwas: Seit November 2024 gibt es die sogenannte Blankoverordnung. Das bedeutet, dass Ärztinnen und Ärzte bei bestimmten Schulterbeschwerden nur noch die Diagnose stellen, und dann die Physiotherapeutin oder der Physiotherapeut selbst entscheidet, welche Behandlung, wie oft und wie lange sinnvoll ist. Ein Schritt in Richtung mehr Eigenverantwortung in der Physiotherapie und ein Hinweis darauf, dass das Vertrauen in die Fachkompetenz der Therapeutinnen und Therapeuten wächst.


Wie bereits erwähnt gibt es positive Beispiele aus dem Ausland: In den Niederlanden dürfen Patientinnen und Patienten schon seit 2006 direkt zur Physiotherapie gehen - ganz ohne Arztbesuch. Beim ersten Termin prüft die Therapeutin oder der Therapeut sorgfältig, ob die Beschwerden für eine physiotherapeutische Behandlung geeignet sind oder ob medizinische Warnzeichen („Red Flags“) vorliegen, bei denen lieber ein Arzt hinzugezogen werden sollte.

Das System funktioniert dort sehr gut: Studien zeigen, dass der Direktzugang sicher und effizient ist. Patientinnen und Patienten kommen schneller in Behandlung, und die Zahl der notwendigen Sitzungen ist im Durchschnitt sogar etwas geringer. Außerdem fühlen sich viele Menschen wohler, weil sie nicht erst mehrere Hürden überwinden müssen, um Hilfe zu bekommen.

Auch Belgien zieht nach: Ab 2026 sollen Patientinnen und Patienten mit bestimmten, leichten Beschwerden, z.B. akuten Rückenschmerzen, ohne ärztliche Verordnung zur sogenannten Kinesitherapie (Physiotherapie) gehen können. Ziel ist es, Hausärzte zu entlasten und Menschen schneller die Behandlung zu ermöglichen, die sie brauchen.


Und genau darum ist das Thema so wichtig!


Viele Beschwerden lassen sich frühzeitig gut behandeln – aber nur, wenn man rechtzeitig Zugang zur Therapie hat. Oft vergeht zwischen dem ersten Arztbesuch, der Verordnung und dem ersten Physiotherapietermin viel Zeit. In dieser Zeit können Schmerzen chronisch werden oder Bewegungsmuster sich verschlechtern.


Ein Direktzugang würde diese Wege verkürzen:

  • Patientinnen und Patienten könnten früher starten,

  • Physiotherapeutinnen und -therapeuten könnten gezielter und flexibler behandeln,

  • und Ärztinnen und Ärzte hätten mehr Zeit für medizinisch komplexe Fälle.


Natürlich braucht es dafür klare Regeln: Therapeutinnen und Therapeuten müssen gut ausgebildet sein, um zu erkennen, wann eine physiotherapeutische Behandlung sinnvoll ist und wann ärztliche Diagnostik nötig bleibt. In Ländern wie den Niederlanden funktioniert das bereits, weil dort standardisierte Befundungs- und Screeningverfahren Teil der Ausbildung sind.

Was bedeutet das für Sie als Patient oder Patientin?

Für Sie heißt das:

  • Sie könnten künftig bei vielen Beschwerden schneller und unkomplizierter Hilfe bekommen.

  • Sie müssten nicht immer zuerst zum Arzt, um ein Rezept zu holen.

  • Ihre Therapeutin oder Ihr Therapeut würde die Behandlung selbstständig planen – abgestimmt auf Ihre Beschwerden, Ihren Alltag und Ihre Ziele.


Im Moment gilt das in Deutschland erst für ausgewählte Fälle (z. B. Schulterprobleme mit Blankoverordnung). Aber langfristig soll der Direktzugang auch in anderen Bereichen getestet und ausgeweitet werden.


Die Physiotherapie in Deutschland befindet sich in einer spannenden Phase des Umbruchs. Mit der Einführung der Blankoverordnung ist der erste Schritt gemacht und Erfahrungen aus den Niederlanden und Belgien zeigen, dass der Direktzugang sicher, wirksam und patientenfreundlich sein kann.

Für Patientinnen und Patienten könnte dies künftig bedeuten: weniger Umwege, schnellere Hilfe und mehr Selbstbestimmung. Für Therapeutinnen und Therapeuten heißt es: mehr Verantwortung und Anerkennung, als wichtige Fachkräfte im Gesundheitswesen, die weit mehr leisten als „nur Rezepte abarbeiten“.


Der Direktzugang ist kein Risiko – sondern eine Chance, die Versorgung in Deutschland moderner, effizienter und menschlicher zu gestalten.

 
 
 

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